Metamorphose

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Metamorphose

Die letzten 4 Wochen waren die Hölle.

Das Leben im Paradies mit verkümmerten Sinnen ist schlimmer als der Tod.
Hangelte mich von Zigarette zu Zigarette, versuchte meine schmerzenden Knochen und Glieder zu ignorieren, was mir auch beinahe geglückt war.
Es ist so furchtbar einfach nicht zu fühlen, nur taubstumpf vor sich hin zu vegetieren, zu existieren und zu funktionieren…
Da war diese Schwere meiner Muskeln die sich jeden Morgen steif und kraftlos dagegen wehrten bewegt zu werden.
Dieses wirre Gefühl, der Druck auf meinen Gedanken, der eiserne Wille immer weiter zu gehen, und gehen, und gehen, bis ich nicht einmal mehr stehen kann und für immer liegen bleibe.
Doch jetzt ist es vollbracht.
Habe es geschafft, mit letzter Kraft, bin wie im Taumel hierher getorkelt, habe nicht getraut mich zu entspannen oder auch nur daran zu denken, was mir als nächstes bevorsteht, keine Vorfreude auf die Begegnung mit meinem Oldenburger Leben, in Form und Gestalt meiner Freunde, empfunden..
Ist es dieses alte, ferne Leben das sie in ihrem Herzen tragen, fürchte ich in ihren glitzernden Augen mein Spiegelbild zu erkennen, nur um darin zu sehen wie sehr ich nicht mehr der bin an den sie sich erinnern, nicht einmal mehr dessen Schatten…?
Bin wie ein Schwamm durch Granada geschlichen, habe alles in mich aufgesaugt, bis ich einsam und verwundet im Hostal auf einem Bett lag, Klopapier in den Ohren, die Augen fest verschlossen, mich an meinen Traum klammernd, um dem Alptraum vor dem Fenster zu entkommen.
Sah die Junkies, die in den Vorräumen der Banken ihre Nadeln tauschten, Folien rauchten oder Bier in Dosen tranken, habe Polizisten gesehen die gelangweilt an den Straßenecken standen, mit kullernden Augen ein unfreiwilliges Opfer ihrer Willkür suchend, habe mich geduckt und ganz klein gemacht, um ihren neugierigen Blicken zu entgehen.
Habe die Autos gesehen, gespürt wie sie mir in die Ohren, durch den Gehörgang und die Hirnwindungen, die Speiseröhre hinunter in meinen Magen und unverdaut über meine Gedärme aus dem Arsch gefahren sind.
Habe sie ausgeschissen, wie geschmuggelte Diamanten, Klock, Klock, Klock, bis mein Arsch rau und wund war…
Habe den süßen Likör der Verzweiflung getrunken und wieder ausgekotzt.
Schließlich noch in das Waschbecken meiner billigen Absteige gepinkelt.
Mann will sich ja nicht lumpen lassen…
Alles was dich hier am Leben? hält, ist Anpassung.
Sei ein Chamäleon, ein Meister der Maske, bewege dich wie eine Maschine, sei rastlos wie eine Stubenfliege…

Konnte meine Stadtkleidung nicht finden, hatte wohl in meinem Tran vergessen, sie einzupacken und so lag ich nackt und verfroren unter meiner Decke und bildete mir ein, ein  Stein zu sein.

Diese Angst ist nicht mein Wesen. Ich glaube an ein Leben vor dem Tod, an Freiheit und Liebe.
An Zuversicht…
Doch in diesem Moment war davon nichts zu spüren, ich war eine Puppe.
Metamorphose, Paranoia, Stadtpsychose – Meine Decke ein Kokon.
Draußen tobte ein Sturm der Verzweiflung.
Ein Teil von mir stand auf dem Balkon, konnte nicht damit aufhören alles in sich aufzusaugen, schaute sich die rhythmischen Bewegungen des schmutzigen Schlafsacks an, unter dem zwei Berber vögelten, die Straße rauf und runter, interessiert und infiziert…
Ein anderer Teil lag still im Bett und traute sich nicht zu der kleinsten Bewegung, der Rest war da wo niemand ist…
Zuhause…
In mir tobte ein Sturm der Verzweiflung.
Danach der Bus, mein wiedergefundenes Lächeln, der Zauber in mir..
Castel de Ferro. Heiligabend. Frohe Weihnachten!
Auf einmal war alles so leicht.
Musste nicht einmal den Wunsch aussprechen,  nur warten.
War da  nicht ein Leuchten in ihren Augen?
Wieder im Kreis der Hoffnung, der Liebe, der Zuversicht…
Wie gut es tut mit allen Sinnen zu verschmelzen. Plötzlich nicht mehr abseits stehen und zu schweigen, meine schmutzigen Kleider kein Grund zum Anstoß mehr, zur Diskriminierung, werden zu einer Art Uniform, eine Bekenntnis zum schlichten Leben ohne Stil und Etikette.
Wir sind wie der Staub auf unseren Füßen, glitzernd in der Sonne, offen für alle Winde die da kommen und uns fort tragen, einmal um die Erde und zurück.
Wir sind eine Oase in der Wüste, wenn wir weinen wird es regnen, wenn wir lachen bebt die Erde voller Freude und Wahnsinn.
Und doch ist alles ein Traum..
Aber spielt das eine Rolle, ist es wichtig nüchtern und klar zu schauen?
Und ich der Schatten, das Spiegelbild verliere meine Angst und meine Steife, werde Welle werde Strömung werde Fluss…

Dann die Ankunft des Erwarteten. Die kurze Enttäuschung dass meine Träume, nur aus dünnem Stoff und grob gewebt, der Wirklichkeit niemals entsprechen,
Nein nicht einmal ähneln.
Wie ich diesen schwebenden Zustand immer wieder aufs neue zum ersten Mal erlebe…

Kühl und nahbar, unzerbrechlich
Stehe ich da
Und komme aus der Tiefe nicht herauf
Will nicht erkennen
Dass der Traum nicht mehr ein Sehnen ist
Und sehne mich
Nach etwas
das direkt vor meinen Augen ist
umarme einen Menschen
doch ich spüre seine Wärme nicht
schau tief in seine Augen
übersehe sein Gesicht
bin gefangen
in der Ferne
eines traurigen
Gedichts

Doch die Tage bringen Licht und mein Herz wird immer wärmer, klopft im Rhythmus aller Herzen, pumpt das Blut der Erde durch meine Venen, lässt mich kurz, für den Moment vergessen wer ich bin.
Stehe mittendrin im Kreis und fange an mich zu verstehen, meine Kraft in den Händen der anderen zu sehen.
Und ich weiß dass ich nur am Leben bin um gemeinsam das Einsame einzusammeln und zu vervielfältigen eine homogene Masse zu kochen, einen dickflüssigen Brei aus Liebe und Leben,
einen Teppich zu weben der Schutz und Wärme gibt wenn es kalt und dunkel wird.

Und dennoch
wieder spüre ich
Geschwüre im Gesicht
Und wenn ich
Ehrlich bin
Erkenn ich
dass der eine Schritt ins Licht
Noch nicht genügend ist

Mir wird als ob ich langsam wieder Liebe zu den Menschen finde.
All das Gewicht in meinem Herzen wird so unerträglich leicht und ich erschrecke
vor der Wirklichkeit, der Möglichkeit zu lieben,
ohne Namen,
ohne Stimme,
einfach Ich in Dir zu sein…

was ich alleine nie vermisste
ist auf einmal wieder da
wird zu Musik in meiner Stille
wird zu Tanz und Euphorie
und der Klang führt mich zur Quelle
zu den Wellen meiner Phantasie
macht meine Apathie beweglich
ist die Choreographie
die wie ein Faden
mich entführt
aus dem Gedankenlabyrinth
in dem Worte in die Irre leiten
Große, laute Nichtse sind…
Ich sehe das Treiben und kann nicht begreifen das ich nicht mehr alleine bin.
Castel de Ferro – Eisenburg.
Was hat das zu bedeuten?
Das die gut gebaute Festung mit der Zeit durch Wind und Wasser sich zu Rost verwandelt, oxidiert mit dem Sauerstoff der Luft reagiert
Brüchig und morsch wird
Wärme freigibt
Konzentriert zu innerer Erinnerung wird?
Ich will nicht mehr denken mich nicht mehr verrenken, will nicht mehr behaupten
ich wüsste Bescheid, ich will durch mein Schweigen das Lügen vermeiden,
ich hab es nicht eilig und nehme mir Zeit.
Bin allzeit zum Sterben bereit…

Und jetzt. sitze ich ganz verwirrt an diesem Strand , in einer anderen Zeit , der Zeitlosigkeit
Und finde den Rückweg nicht
Was will ich denn hier, was wollte ich dort? Weiß noch immer nicht wozu das ganze
Hin- und Her Geziehe, dieses flüchtige Gefliehe
Treibt mich in den Wahnsinn.
Punkt.

Soviel Scheiße im Gehirn
Schere , Nadel , Stoff und Zwirn
Und schnippel schnappel
Hippel happel
Hab ich mich schon bald verstrickt
Und flupps bin ich verrückt…
Ich wollte doch aber…..Gefühle begrenzen, ich wollte doch schreiben was in mir geschah ,
als ich wieder das Glänzen , die Freude , das Leiden , die Träumer , die Krieger ,
die Freundlichen sah …

So.
Und jetzt genug gereimt
Der Rahmen ist schon längst gesprengt…

Peng !

 

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