Hinter allen Fenstern

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Hinter allen Fenstern dieser Stadt

 

Niemals, zu keiner Zeit und an keinem Ort habe ich behauptet die Wahrheit zu sagen.
Das einzige, woran ich mich schuldig gemacht habe, soweit ich dies beurteilen kann, ist die Tatsache davon gesprochen zu haben, dass es so etwas wie Wahrheit in dieser Welt geben muss.
Ich bemühe mich stets mit offenen Augen durch die Tage zu wandern, auch dann ,wenn es elende Schmerzen bereitet, den Blick nicht abzuwenden, Dinge wahrzunehmen die ohne Hoffnung, ohne Freude sind, ja und zuweilen gar zu sehen…
Stets versuchte ich das Fremde zu kennen, zu erkennen was es ist, das mich so fernab davon am Leben hält.
Es gibt so viele Menschen in dieser Stadt und es hat den Anschein, dass die meisten von ihnen aufs Geratewohl durch die Straßen strömen, ohne wirklich zu bemerken dass sie Teil der Bewegung sind die sie umgibt.
Noch immer weiß ich nicht genau was ich hier eigentlich zu suchen, zu erfüllen habe.
Noch immer glaube ich nicht an die scheinbare Freiheit Entscheidungen treffen zu können, blicke zurück und frage mich ob mir mein Leben jemals eine Wahl ließ.
Mehr und mehr verstehe ich, dass es nichts gibt wovor man sich schützen kann, von dem man entrinnen kann.
Was nützt es also wegzuschauen, wenn das, was man nicht sehen will, ohnehin vor den Augen geschieht?
Nun, ich weiß, dass all dies nicht ohne Grund passiert, dass ich nicht rein zufällig an diesem Ort verweile, dass es nicht mein Entschluss war der mich hergeführt hat.
Ein Kind der Stille, umgeben von Hektik und Lärm, von unzähligen Leben, Geschichten, in allen Augen, hinter allen Fenstern dieser Stadt…
Und doch.
Was ist es, dass das Leben für mich bereit hält?
Erinnere dich…Woher bist du gekommen?…wohin willst du gehen?…Atme tief…Innere dich!…Alles was du siehst reflektiert einen Teil von dir…Sammele die Bruchstücke deiner selbst, verbinde sie mit Leidenschaft und Liebe…Kümmere dich…Was hat es auf sich, was geht daraus hervor…Äußere dich!!

Ich habe, nein, ich gehe einen Weg durch dieses Chaos, durch die zeitgenössische Planlosigkeit, durch die Trauer und die Angst, und eigentlich bin ich ebenso isoliert, wie damals der Eremit auf seinem Berg es war.
War ich glücklicher zu dieser Zeit?
Was ist das, Glück?
Was ist Zeit?

Wir all bedienen uns eines großen Sortiments an Worten, deren Bedeutung uns nicht klar ist.
Leben…Liebe…Reichtum…Angst…Einsamkeit…Frieden…Hass …Heute…Wissen…Begierde…Sprache…Kunst…Existenz… Mensch…
Und wie so oft, frage ich mich: “Sprechen wir von denselben Dingen, nur weil wir die selben Worte benutzen?”
Ist nicht das Erste was man tun muss ,bevor man ein Gespräch führt, sich zu einigen um den Code der Sprache gemeinsam zu entschlüsseln, ehe es uns so geht wie allen, die unbedacht mit Silben und Sätzen jonglieren, Rhetoriker, die gekonnt und gewandt aneinander vorbei reden ohne dass es einer je bemerkt..?
Sind es nicht genau diese wenigen Menschen, die das Geschick der anderen zu lenken versuchen, in Politik und Wissenschaft, Medien und Gesetzbüchern?

Vielleicht müssen wir die Sprache neu erfinden, reduzieren auf das, was uns allen gemeinsam ist.
Vielleicht wäre aber auch genau das unser Verhängnis.
Ein großer Schritt zur Gleichmachung der Welt und ihren Wesen, die andauernd fortschreitet.
Gleiche Währung, gleiche Sprache, gleiche Ängste und Wünsche, gleiche Gedanken und Wörter dies zu beschreiben…
Wir leben in einer Welt, in der es Normmaße für Äpfel gibt.
Absurd und pervers, wie der Mensch versucht, das kosmischte aller Gesetze zu brechen, die Vielfalt des Lebens zu eliminieren.
Wir lauschen denselben Melodien, lesen dieselben Bücher, sehen dieselben Filme, fahren dieselben Autos…
Doch, welch Wunder, das Leben lässt sich nicht so angleichen, denn jeder hört und schaut und nutzt auf seine eigene Weise.
Dieselbe Geschichte wieder und wieder gelesen und zitiert ist jedes Mal neu, ständiger Mutationen ausgesetzt.
Ist doch wahr, oder..?

 

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